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Digitales Geschäftsmodell

Definition und Abgrenzung

Ein Geschäftsmodell (engl. Business Model) beschreibt die Wertschöpfungs- und Monetarisierungsaspekte eines Unternehmens sowie dessen Marktposition in stark komprimierter Form. [1,2] Zudem zeigt es die Einbettung eines Unternehmens in die Wertschöpfungsstruktur(en) auf. Dabei werden nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die Aktivitäten über die organisationalen Grenzen hinaus, beispielsweise mit Konsumenten und zentralen Partnern, in die Betrachtung mit aufgenommen. Ein Großteil der heute verfügbaren Geschäftsmodellkonzepte [3] setzt sich aus einer strategischen Komponente (Strategien, Ressourcen, Netzwerke), einer Kunden- und Marktkomponente (Kundensegmente, Marktpositionierungen, Erlösmodelle) sowie einer Wertschöpfungskomponente zusammen (Produktion, Einkauf, Finanzierung).

Digital ist ein Geschäftsmodell, wenn digitale Technologien fundamentalen Einfluss auf die Art und Weise des Wirtschaftens und der Umsatzgenerierung des Unternehmens haben. [2,4] Der konkrete Digitalisierungsgrad eines Unternehmens lässt sich aber nicht exakt bestimmen. Eine Annäherung liefert eine Betrachtung von zwei Dimensionen [5]: dem Grad der Digitalisierung der Prozesse und dem der Produkte. Damit lassen sich Unternehmen in eine Matrix einordnen – von analogen Produkten und Prozessen (z. B. im Geschäftsmodell eines Zementherstellers) hin zu gänzlich digitalen Geschäftsmodellen (z. B. das Geschäftsmodell eines Cloud-Anbieters).

Neben Produkten, Prozessen und Strategien wird die Betrachtung von Geschäftsmodellen vermehrt durch die Neukombination und Konfiguration von Aktivitäten als Quelle der Innovation verstanden. So kommt der Analyse der Digitalisierung von Geschäftsmodellen neben der Nutzung von neuen Technologien, strukturellen Veränderungen und strategischer Neuausrichtung eine wachsende Bedeutung im Rahmen der digitalen Transformation von Unternehmen zu. [6]

Um das abstrakte Konzept des Geschäftsmodells greifbar zu machen, gibt es eine Vielzahl von Modellierungsansätzen sowie Instrumente der grafischen und semantischen Repräsentation. [1,2] Dabei werden in der Forschung beispielsweise unternehmensübergreifende Typologien gebildet, um bestimmte archetypische Geschäftsmodelle zu erkennen [7]. Bei digitalen Geschäftsmodellen stellt dies aufgrund der komplexen Vernetzung der Unternehmen mit diversen Akteuren eine Herausforderung dar und verlangt in der Praxis zunehmend die Unterstützung durch Design-Programme. [2] Um die einzelnen Wertschöpfungs- und Erlöskomponenten eines Geschäftsmodells sowie die Verknüpfung mit Strategien auf der einen Seite und Unternehmensprozessen auf der anderen Seite auf ihre logische Konsistenz zu prüfen, kommen auf Ebene des einzelnen Unternehmens Management-Analyse-Techniken zum Einsatz. Hier hat sich der Business Model Canvas [8] als vereinfachtes, aber holistisches Werkzeug etabliert.

Geschichte

Erstmalig wird der Begriff des Geschäftsmodells 1957 aufgegriffen. Der Durchbruch des Geschäftsmodellkonzepts im akademischen Diskurs und in der Praxis geschieht jedoch erst während des New Economy Booms um die Jahrtausendwende, um das damals neuartige e-Business – speziell die Möglichkeit der Monetarisierung von internetbasierten Angeboten – erklären zu können. Während das Geschäftsmodellkonzept durch die Verwendung in diverse Forschungsströme zunehmend fragmentiert [3], findet es in der Praxis breite Anwendung und wird nahezu inflationär benutzt. Insbesondere dem Business Model Canvas [8] gelingt der Einzug in Konzern-Strategie-Workshops und Start-up-Szene gleichermaßen. Mit der Omnipräsenz digitaler Technologien und deren Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg wendet sich die Forschung vermehrt digitalen Geschäftsmodellen zu, um die Wertschöpfung und Monetarisierung von Angeboten in digitalen Sphären zu beleuchten und abzubilden [2,3]. Dabei rückt vermehrt die Sicht des Unternehmens als Teil eines digitalen Ökosystems in den Vordergrund.

Anwendung und Beispiele

Digitale Geschäftsmodelle durchdringen nahezu alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft. Hier einige aktuelle Beispiele von Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen:

  • Netflix, Video-Streaming-Anbieter
  • Google/Alphabet, Suchmaschinen- und Werbeanbieter
  • Spotify, Musik-Streaming-Anbieter
  • Airbnb, Onlinemarktplatz für Unterkünfte
  • Uber, Ridesharing-App
  • Salesforce, Anbieter von CRM-Software und Cloud-Computing-Lösungen
  • Tesla, Produzent von Elektroautos und deren Softwarelösungen
  • Nike, Bekleidungshersteller mit E-Commerce und digitaler Community
  • Trade Republic, Onlinebroker
  • Lieferando, Essenslieferdienst
  • LinkedIn, Soziales Karrierenetzwerk
  • LEGO, Spielzeughersteller mit digitalem Ökosystem
  • HILTI, Baumaschinenhersteller und Serviceprovider von smarten Geräten

Kritik und Probleme​​

Trotz mehrerer Versuche einer Integration der zahlreichen Definitionen des Geschäftsmodellkonzepts hat sich in der Literatur noch keine als allgemein akzeptiert herausgebildet. Teece [9] bemängelt, es gebe beinahe genauso viele Geschäftsmodelldefinitionen wie Geschäftsmodelle. Nicht nur das Fehlen einer breit anerkannten Definition des Geschäftsmodells und dessen Kernkomponenten waren und sind nach wie vor Gegenstand von akademischer Diskussion [3], auch die Abgrenzung zu bekannten Konzepten innerhalb der Managementlehre wurde debattiert. Der Strategieforscher Porter argumentierte noch 2001, der Geschäftsmodellansatz sei geradezu eine Einladung für fehlerhaftes Denken und Selbsttäuschung [10]. Mittlerweile besteht jedoch breiter Konsens, dass das Geschäftsmodell zwar inhärent mit der Strategie und den Geschäftsprozessen eines Unternehmens verknüpft ist, aber ein eigenständiges Konstrukt darstellt [3]. Jedoch hat die Fragmentierung und Heterogenität der Geschäftsmodellforschung im Allgemeinen auch Einfluss auf den Unterbereich der digitalen Geschäftsmodelle im Speziellen [11]. Kumulative Wissensgenese wird so erschwert.

Forschung

Ein vom bidt unterstütztes Projekt „Geschäftsmodelle datengetriebener Start-ups und ihre Positionierung entlang der Wertschöpfungskette“ untersucht die Geschäftsmodelle datengetriebener Start-ups, um zu verstehen, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette etablierter Unternehmen disruptive Start-ups ansetzen, um entweder Möglichkeiten der Kooperation zu schaffen oder den Markt durcheinanderzuwirbeln.

Mit dem Projekt „Digitale Transformation von Engineering-Unternehmen – eine Frage der Identität“ beschäftigt sich das Institut zudem intensiv mit den Auswirkungen der digitalen Transformation in der Automobilindustrie. Dabei stellt das Verständnis von digitalen Geschäftsmodellen einen wichtigen Teilaspekt dar, um die weitreichenden Veränderungen in der deutschen Schlüsselindustrie zu verstehen.

Im Rahmen des Doktorandenprojekts „Digitale Start-ups und ländliche Regionen“ wird untersucht, wie sich das Gründungsverhalten von Start-ups mit digitalen Geschäftsmodellen zwischen Stadt und Land unterscheidet. Ziel der Arbeit ist es, das Potenzial digitaler Geschäftsmodelle insbesondere für ländliche Regionen aufzuzeigen.

Weiterführende Links und Literatur​​​​

  • Veit, D., Clemons, E., Benlian, A., Buxmann, P., Hess, T., Spann, M., Kundisch, D., Leimeister, J.M., und Loos, P. 2014. “Business models: An information systems research agenda,” Business & Information Systems Engineering (6:1), S. 45–53.
  • Hess, T. 2019. Digitale Transformation strategisch steuern: Vom Zufallstreffer zum systematischen Vorgehen. Springer.

Quellen

[1] Zott, C., Amit, R., und Massa, L. 2011. “The Business Model: Recent Developments and Future Research,” Journal of Management (37:4), S. 1019–1042.

[2] Veit, D., Clemons, E., Benlian, A., Buxmann, P., Hess, T., Spann, M., Kundisch, D., Leimeister, J.M., und Loos, P. 2014. “Business models: An information systems research agenda,” Business & Information Systems Engineering (6:1), S. 45–53.

[3] Wirtz, B.W., Pistoia, A., Ullrich, S., und Göttel, V. 2016. “Business Models: Origin, Development and Future Research Perspectives,” Long Range Planning (49:1), S. 36–54.

[4] Al-Debei, M.M., und Avison, D. 2010. “Developing a unified framework of the business model concept,” European Journal of Information Systems (19:3), S. 359–376.

[5] Porter, M.E., und Millar, V.E. 1985. “How information gives you competitive advantage,” Harvard Business Review (63:4), S. 149–160.

[6] Matt, C., Hess, T., und Benlian, A. 2015. “Digital Transformation Strategies,” Business & Information Systems Engineering (57:5), S. 339–343.

[7] Timmers, P. 1998. “Business Models for Electronic Markets,” Electronic Markets (8:2), S. 3–8.

[8] Osterwalder, A., und Pigneur, Y. 2010. Business Model Generation: A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers. New Jersey: Wiley.

[9] Teece, D.J. 2018. “Business models and dynamic capabilities,” Long Range Planning (51:1), S. 40–49.

[10] Porter, M.E. 2001. “Strategy and the Internet,” Harvard Business Review (79:3), S. 62–78.

[11] Guggenberger, T., Möller, F., Boualouch, K., und Otto, B. 2020. “Towards a Unifying Understanding of Digital Business Models,” Twenty-Third Pacific Asia Conference on Information Systems. Dubai, UAE.